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Deutschland am "Miet-Limit": Einkommen reicht für immer weniger Wohnfläche

Wohnungsmangel in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Wohnungsmangel durchdringt Deutschland: Die neue Wohnungsknappheit
ist mittlerweile in 138 Städten und Kreisen angekommen – in einem Drittel
der Kommunen. Hier steht die „Wohnungs-Ampel“ auf Hell- oder sogar
schon auf Dunkelrot. Der Wohnungsmangel reicht damit weit über die
Ballungszentren hinaus und hat auch ländliche Regionen längst erreicht.
Das geht aus einer Studie hervor, die das Prognos-Institut heute auf dem 9.
Wohnungsbau-Tag in Berlin vorgestellt hat. Sie analysiert den Wohnraum-
Bedarf in Deutschland und in den regionalen Wohnungsmärkten.
Die Folge der Wohnungsknappheit: Miete und Einkommen haben sich
entkoppelt. Selbst für Haushalte mit mittleren Einkommen wird es immer
schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden, so das Prognos-Institut.
Viele könnten sich einen Umzug nicht mehr erlauben: Die Bezahlbarkeit
von Wohnraum ist für mehr als die Hälfte der Bevölkerung eine finanzielle
Herausforderung, so das Institut.
Für die Top-7-Städte der äußerst angespannten Wohnungsmärkte (Berlin,
Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart)
weisen die Wissenschaftler auf der Grundlage der Mietpreise konkret nach,
dass sich selbst Haushalte mit mittleren Einkommen nur noch eine
Wohnung deutlich unter 70 Quadratmetern Wohnfläche leisten können. In
München, Berlin und Hamburg liegen demnach nicht einmal 60
Quadratmeter drin. Und das bei einem Einkommensanteil von 35 Prozent
für die Warmmiete.
Der Studien-Blick auf das gesamte Bundesgebiet macht allerdings deutlich,
dass das bezahlbare Wohnen kein Problem ist, dass sich auf die
Metropolen beschränkt, sondern längst in der Mitte der Gesellschaft
angekommen ist. Die Wissenschaftler errechneten, dass bundesweit das
mittlere Haushaltsnettoeinkommen von 2.168 Euro pro Monat mittlerweile
nur noch ausreicht, um eine durchschnittliche Wohnung von 77
Quadratmetern zu mieten. Grundlage ist hierbei eine Miet-Obergrenze von
759 Euro pro Monat.
Die Studie macht deutlich: Die Menschen in Deutschland können sich mit
dem Geld, das sie monatlich zur Verfügung haben, immer weniger
Wohnfläche leisten. Dies berge auch sozialpolitisch Konfliktpotenzial, so
das Prognos-Institut. Der entscheidende Grund für den Wohnungsmangel
sei, dass seit Jahren zu wenig und meist auch zu teuer gebaut werde.
Allein in den vergangenen acht Jahren sei eine „Wohnungsbaulücke“ von
einer Million Wohneinheiten entstanden.
Die Prognos-Studie wurde vom Verbändebündnis Wohnungsbau
beauftragt. In dem Bündnis haben sich sieben Organisationen und
Verbände der Bau- und Immobilienbranche zusammengeschlossen –
darunter der Deutsche Mieterbund (DMB) und die Industriegewerkschaft
Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Ebenso der Zentralverband Deutsches
Baugewerbe (ZDB), der Bundesverband deutscher Wohnungs- und
Immobilienunternehmen (GdW), der Bundesverband Freier Immobilien- und
Wohnungsunternehmen (BFW), der Bundesverband Deutscher Baustoff-
Fachhandel (BDB) und die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und
Wohnungsbau (DGfM). Ihr gemeinsames Ziel: das gute und bezahlbare
Wohnen in Deutschland.
Um das zu erreichen, fordert das Bündnis auf dem von ihm veranstalteten
Wohnungsbau-Tag den Neubau von 80.000 zusätzlichen
Sozialmietwohnungen – pro Jahr. Hier müsse der Bund seine Zahlungen
für die Wohnraumförderung – auch nach 2019 – fortsetzen. Und das bei
einer Etat-Verdoppelung durch die Länder. Darüber hinaus sei es dringend
erforderlich, bessere steuerliche Anreize für mehr bezahlbaren
Wohnungsbau zu schaffen: Eine von 2 auf 3 Prozent erhöhte AfA sei schon
deshalb notwendig, um der – durch immer mehr Anlagentechnik –
verkürzten Nutzungsdauer von Wohngebäuden gerecht zu werden. Zudem
soll es für Regionen mit angespannten Wohnungsmärkten wahlweise eine
befristete Sonderabschreibung oder Investitionszulagen für den Neubau
bezahlbarer Mietwohnungen geben. An die Adresse von Bund, Ländern
und Kommunen appelliert das Verbändebündnis Wohnungsbau, Bauland
verbilligt bereitzustellen und nicht länger – wie häufig praktiziert – im
Höchstpreisverfahren anzubieten.
Eine weitere Botschaft des Wohnungsbau-Tages richtet sich an Politik und
Verwaltung: Der Staat dürfe nicht durch immer neue Gesetze und Normen
die Baukosten in die Höhe treiben. Er solle stattdessen den Kosten-Nutzen-
Aspekt stärker im Blick haben. Darüber hinaus sei eine deutliche Erhöhung
der KfW-Förderung für die altersgerechte und energetische
Gebäudesanierung notwendig. In diesem Zusammenhang fordert das
Verbändebündnis Wohnungsbau die Bundesregierung auch auf, den
Gebäudebereich nicht ungleich stärker als andere Segmente – wie
beispielsweise den Verkehr oder die Landwirtschaft – zu belasten, wenn es
darum geht, gesteckte Klimaschutzziele zu erreichen.